Vom Glück, etwas abzuschließen.

Prokrastination beenden mit der Polyvagal-Theorie!

Inke Jochims hat einen Ratgeber geschrieben, in dem sie Prokrastination und den Weg heraus, mit Hilfe der Polyvagal-Theorie erklärt.

Die Polyvagal-Theorie verdanken wir Stephen W. Porges, einem amerikanischen Psychiater und Neurowissenschaftler, der das Zusammenspiel von Parasympathikus und Sympathikus untersucht hat und dabei festgestellt hat, dass der Parasympathikus 2-teilig ist. In der vorherigen Theorie gab es vereinfacht gesagt nur einen Parasympathikus, der uns entspannt und einen Sympathikus, der uns aktiviert.

Polyvagal-Theorie

Das Autonome Nervensystem untersucht laufend, ob wir sicher sind. Dafür scannt es unser Körperinneres, unser Umfeld und unsere Beziehungen zu anderen Menschen auf Gefahr ab. Und je nach dem, ob es zu dem Ergebnis sicher, unsicher, lebensgefährlich kommt - leitet es autonome Reaktionen ein, ändert unseren Funktionsmodus.

Polyvagale Hierarchie

In Sicherheit

Sicherheit

Wenn wir in Sicherheit sind, ist das Gehirn im Top-Zustand. Der Präfrontale Kortex ist aktiviert, wir können klar denken, planen, handeln - das Leben läuft und kleinere Konflikte können wir im Gespräch verhandeln und klären. In diesem Zustand ist das Soziale Engagement System aktiviert und wir können gut Zuhören und auch andere Menschen und Ihre Motivation verstehen.

Unsicher

Unsicherheit

Wenn das Nervensystem Gefahr meldet, wird der Sympathikus aktiviert und wir werden mobilisiert, das Ungemach zu beseitigen. Wir reagieren dabei mitunter auf Reize, die unterhalb unsere Wahrnehmungsschwelle liegen, wofür Herr Porges den Begriff Neurozeption erschaffen hat. Wenn es gelingt, die Störung zu beseitigen, ist das System wieder sicher und es geht weiter, wie oben beschrieben. Wenn die Störung anhält oder sehr gefährlich wird, geht das Nervensystem in den Kampf- oder Fluchtmodus und stellt dafür viel Energie bereit. In diesem Zustand ist der Präfrontale Kortex (hinter der Stirn) unteraktiviert, das limbische System hat übernommen. Wenn wir weder kämpfen noch fliehen können brauchen wir andere Werkzeuge, das Nervensystem wieder zu beruhigen oder zu entladen. Wenn das Nervensystem in diesem Zustand stecken bleibt, ist der Kortex dauerhaft unteraktiv, die Kommunikation ist gestört oder das Leben wird zum Kampf. Wie Frau Jochims in ihrem Buch schreibt, ändern sich unsere inneren Dialoge, also wie wir die Welt sehen und sie uns selbst beschreiben. In diesem Zustand leben wir im Chaos, die Welt ist unfreundlich und unkalkulierbar.

Lebensgefahr

Lebensgefahr

Sinken wir noch eine Stufe tiefer, wird es ganz finster. Wir bekommen nichts mehr gebacken, sind allein und die Welt ist ein garstiger unbewohnbarer Ort. In diesem Zustand ist der Präfrontale Kortex aus, niemand mehr da, der noch plant und handelt. Einem Aggressor sind wir ohnmächtig ausgeliefert, können uns nur noch unsichtbar machen oder unterwerfen.

Zur Erklärung der Polyvagal-Theorie bezieht sich Inke Jochims auf Deb Dana, eine Psychotherapeutin und Fan der Polyvagal-Theorie. Von ihr stammt das Modell der Navigation auf einer autonomen Leiter. Wir bewegen uns den ganzen Tag auf dieser Leiter hoch und runter, es ist also nicht das Ziel immer oben zu stehen. Wichtig ist, dass die Zustände flexibel bleiben und das Nervensystem nicht auf den unteren Stufen hängenbleibt.

Es ist gut immer wieder in den Körper hineinzuspüren, um so die unterschiedlichen Zustände mitzubekommen. Sich also mit dem eigenen Nervensystem vertraut zu machen. Sich auch klarzumachen, dass die inneren Dialoge von den Nervensystem-Zuständen abhängig sind und nicht die ganze Wahrheit sind. Wenn man noch Freunde hat, deren Nervensystem im Zustand der Sicherheit ist, dann ist es gut Zeit mit ihnen zu verbringen, da die Nervensysteme ansteckend sind (Co-Regulation).

Das EBenDA-Modell

Zurück zur Prokrastination. Wie bekommt man wieder etwas erledigt? Aus Ohnmacht und Hilflosigkeit kommt man heraus, wenn man sich selbstwirksam fühlt. Das wird in Teil 3 des Buches gründlich erklärt.

EBenDA-Modell

Das Rezept: Man nehme eine mini kleine Aufgaben, entscheide sich kraftvoll dafür, beginne, bleibe dran bei der Durchführung und schließe sie erfolgreich ab. Im Anschluss daran noch Zeit nehmen um Stolz und Freude darüber zu spüren. So gerät man in eine Aufwärtsspirale und heraus aus dem immobilen Zustand. Diese einzelnen Schritte ihres Modells beschreibt sie detailiert mit wertvollen Tipps und dabei evtl. auftauchenden Gefühlen oder hierfür erforderlichen Gefühlen.

Ich übe nun also eine kleine Aufgabe konzentriert und fokussiert von Anfang bis Ende ohne Unterbrechung durchzuziehen und dann auch zu registrieren, dass sie nun erledigt ist! Hinsetzen tief durchatmen und Glücksgefühle spüren. Ich habe dafür ein hübsches Notizbuch, in das ich meine ganzen Aufgaben schreibe und anschließend auch abhake. Größere Aufgaben breche ich in ganz kleine Häppchen ... überlege mir, was denn ein ganz kleiner erster Schritt sein könnte. Hey, das tut! Für mich ist das – wie in kleinen Schritten Leben lernen, mein Gehirn wieder funktionstüchtig machen, mich etwas besser organisieren.

Frau Jochims schreibt in der Einführung, dass sie in manchen Büchern nur ein Körnchen Weisheit für ihre Transformation gefunden hat. Für mich waren in ihrem kleinen Büchlein (knapp 100 Seiten) erstaunlich viele Körnchen drin, obwohl ich schon einiges über die Polyvagaltheorie gelesen habe. Z.B. das bewusste Abschließen habe ich vorher überhaupt nicht gemacht. Wenn man das versäumt, bleibt der Stresslevel hoch.

Man braucht dazu anfangs noch gar nicht über großartige Ziele nachdenken, das funktioniert nicht, wenn das Großhirn und der Präfrontale Kortex offline sind. Ganz kleine praktische Aufgaben, die keine bis wenig Überwindung kosten, wie abspülen, Wäsche zusammenlegen, einen Anruf erledigen, … tun es erst mal. Immer weiter runterbrechen, bis die Aufgabe wirklich klein genug ist und dann die Handlung bewusst beenden und anschließend machen was du willst. Nach Netflix davon dissoziieren, weitermachen, … wonach dir eben ist.

Wenn man etwas abschließt, hat man wieder richtig viele Aufmerksamkeits-Prozente übrig, die man für andere Themen einsetzen kann. Danke für die Erinnerung, das habe ich doch schon mal im Zusammenhang mit der Gestalttherapie gehört, aber wieder vergessen. Es ist nicht gut für das Gehirn, viele offene Aufgaben zu erinnern, das wird schon besser, wenn man sie für später aufschreibt.

Das Buch gibt es im Buchhandel oder mit reichlich Vorschau bei Amazon.de -> Vom Glück, etwas abzuschließen.